Sie müssen kein Lektor sein – Sie müssen nur mit offenen Augen durch die Ladenstraße gehen, dann wird Sie Ihnen schon bald begegnen: die Abseitsfalle. Bei 50 Prozent der Aushänge hat sie bereits zugeschnappt. „Ab dem 1. Februar haben wir donnerstags geöffnet“ ist dort zu lesen. Sie nehmen Ihre Sonnenbrille ab, denn es ist bereits August, und stellen fest: Es müsste „seit“ heißen. Oder meint der Verfasser den Februar des kommenden Jahres? Oder den Februar vor zwei Jahren? Alles kein Problem. Man könnte – was eine verrückte Idee – den Zettel einfach am 1. Februar austauschen und schreiben: „seit dem 1. Februar“ oder „jetzt auch“. Ich würde mich allerdings zuallererst fragen, ob der Zettel ab dem 1. Februar nicht überflüssig ist und man schlichtweg die Übersicht der Öffnungszeiten ergänzt. Das hängt vom Einzelfall ab.
Anders als bei einem Aushang mit einer überschaubaren Auflage ist das mit anderen Drucksachen nicht immer so ohne Weiteres zu lösen. Kürzlich redigierte ich den Flyer einer Arztpraxis. Der Vorschlag des Kunden: „Ab Mai bieten wir unsere osteopathische Behandlung auch freitags an.“ So gedruckt, könnte man die 1000 Flyer spätestens im Juni wegschmeißen. Dem Arzt habe ich geraten, „Osteopathische Behandlung jetzt immer auch freitags“ zu schreiben und den Flyer-Ständer in seiner Praxis mit dem Schild „ab Mai“ zu versehen. Diesen Hinweis kann er dann im Mai einfach wieder wegnehmen. Auch nicht ideal, aber immer noch besser, als im Juni den Großteil der Auflage zu entsorgen und alle ausgeteilten Flyer wieder einzusammeln. Und ein neutraler, zeitunabhängiger Hinweis wie „Start der Freitagsbehandlung: 1. Mai“ ist ja nun auch nicht wirklich sexy. Die Überlegung, ob ein Flyer wirklich die beste Wahl für so einen Anwendungsfall ist, lasse ich einmal ganz außen vor.
Wir sind heute wieder kleinlich unterwegs. Aber wer Sprache ernst nimmt, weil für ihn Verständlichkeit, Eindeutigkeit und Leserorientierung oberste Gebote sind, der sollte immer kleinlich unterwegs sein. In diesem Sinne: Wer in bestimmten Situationen „ab“ schreibt, sollte um die Konsequenzen wissen. Ich überlege seit langem, wie man die voranschreitende Zeit noch anders, möglichst sprachlich, aufhalten kann. Aber mir will nichts Gutes einfallen, immer kommen mir wieder diese Präpositionen mit Ablaufdatum in den Sinn. Vorschläge nehme ich gern entgegen – seit gestern, ab morgen und heute sowieso.
Grafik: Volker Lahr