Sie werden gebeten, über einen Text „mal eben drüberzuschauen“? Glückwunsch! Ob Sie damit Geld verdienen oder es nur als Freundschaftsdienst tun – freuen Sie sich über den Auftrag. Ganz offensichtlich vertraut Ihr Kunde, Kollege oder Nachbar auf Ihre Leistungen in Sachen Text. Damit dies auch so bleibt, sollten Sie direkt zwei Fragen stellen:
Was meinen Sie mit “drüberschauen”?
Schaffen Sie bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Klarheit, ansonsten kann es später unangenehm werden. Zum Beispiel so: Sie haben den Text im engsten Wortsinn Korrektur gelesen. Die eine (und meistens auch die andere) schiefe Formulierung ist Ihnen zwar aufgefallen, Sie haben aber nichts geändert und auch nichts angemerkt. War ja nicht Ihre Aufgabe. Der Autor findet das gar nicht lustig: Solche journalistischen Stil-Fehler hätten Ihnen doch auffallen müssen – Sie sind schließlich Profi!
Aber auch der andere Fall ist möglich: Sie haben nicht nur alle Rechtschreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler korrigiert, sondern alles mal richtig auf links gedreht. Ihr Auftraggeber schäumt vor Wut! Er hatte Deutsch als Leistungskurs und hat außerdem schon mehrere Artikel im „Lokalreporter“ platziert (beeindruckend, nicht?). Und daher findet er seinen Text auch richtig gut, geradezu genial. Kunde weg oder – noch schlimmer – Freundschaft beendet.
Bestehen Sie auf einen eindeutigen Auftrag. Legen Sie fest, was Sie genau machen sollen. Nur so lässt sich verhindern, dass jemand ein anderes Resultat erwartet. Wenn Sie den Auftrag erhalten, einen Text Korrektur zu lesen, dann lesen Sie ihn Korrektur. In bestimmten Fällen können Sie einen Vorschlag für eine stilistische Veränderung machen (ich zumindest kann das nicht lassen). Wenn der Verfasser aber ausdrücklich um eine Überarbeitung bittet, haben Sie alle Freiheiten. Redigieren Sie den Text so, wie Sie es für sinnvoll halten.
Tipp: Vermerken Sie auf der Korrekturfahne, welche Leistung beauftragt wurde. Dann können Sie das auch später noch nachvollziehen und fragen sich nicht, warum Sie das so halbherzig redigiert haben.
Was meinen Sie mit “mal eben”?
Vereinbaren Sie mit Ihrem Auftraggeber, wann er das Ergebnis erwartet oder benötigt. Stellen Sie von Anfang an klar: Professionelles Korrekturlesen geht nicht „mal eben“, auch wenn das Wort „drüberlesen“ den Anschein erweckt. Das Korrekturlesen und/oder Redigieren eines Textes braucht Zeit (siehe dazu auch „Zehn Gebote für effizientes Korrekturlesen“). Zeitdruck ist schlecht für das Ergebnis. Mit einer festgelegten Deadline sorgen Sie für klare Verhältnisse.
Für die Profis unter Ihnen: Fragen Sie Ihren Kunden, nach welchen Vorgaben Korrektur gelesen werden soll. Überprüfen Sie nach der Duden-Empfehlung oder gibt es beim Auftraggeber Terminologie-Listen, ein bestimmtes Corporate Wording oder andere Vorgaben? Für das Redigieren sind unter Umständen bereits veröffentlichte Texte hilfreich, um sich an stilistischen Merkmalen orientieren zu können.
Fazit
Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden. Das gilt auch für geschriebene Texte. Sorgen Sie für eine klare Sicht.
Foto: Volker Lahr