Jeder, der sich mit Sprache beschäftigt, stößt irgendwann auf Anglizismen. Dann wird er das Thema dankbar aufgreifen und in seinem Blog darüber herziehen. Denn eines ist ihm dabei gewiss: Beifall. Jeder Leser hat so seine Erfahrungen mit englischen Wörtern in der deutschen Sprache gemacht und könnte mindestens zwei, drei eigene Beispiele beisteuern. Ich gebe zu: Ich habe wirklich überlegt, ob ich meinen Blog auch “Blog” nennen soll. Aber manchmal ist ein englischer Begriff einfach treffender. Daher kann ich Anglizismen nicht so generell verurteilen.
Obwohl ich einen aktuellen Anlass für diesen Wort-Rassismus hätte. Bei einem Seminar vor einiger Zeit lud uns der Referent, natürlich ein PR-Berater, zu einem „Deep Dive“ ein, erläuterte uns einige entscheidende „Game Changer“ und warnte uns vor dem ein oder anderen „Show Stopper“. Und eine alte Beraterregel gab er uns auch noch mit auf den Weg: „If you can’t convince them, confuse them.“ Glückwunsch, hast du geschafft! Schon nach ersten zehn Minuten dachte ich: Comedy! Was ein cooler Einfall vom Chef in Sachen „Teambuilding“. Aber nein, weder der noch meine Kollegen schlossen sich meinem motivierenden Zwischenapplaus an. Also offensichtlich doch ernst gemeint.
Ich schrieb die englischen Begriffe des Beraters, soweit es meine Steno-Kenntnisse zuließen, in mein Notizbuch. Wer weiß, wofür man das noch brauchen könnte. Auf der Fahrt in den Urlaub fügte der liebe Blog-Gott (bezeichnender Weise in der Nähe von Fügen) die Bausteine dann für einen Blogbeitrag zusammen. Denn unser Weg führte uns an einem Campingplatz vorbei, der von der Familie Hell betrieben wird. Alles kein Problem, weder aus sprachlicher Sicht noch aus der Perspektive der Anglizismen. Oder wie nennen Sie einen Campingplatz? Aber wer um Himmels Willen war auf die Idee gekommen, der Anlage den Namen „Camping Hell“ zu verpassen? Vermutlich jemand, der diese Art des Wohnens und Urlaubmachens verabscheut, und das sind genau 50 Prozent der Menschheit.
Zugegeben, wer einmal im Sturm und von Mücken zerfressen in einem Zwei-Mann-Zelt auf einer Luftmatratze gelegen hat, der weiß: Es kann noch schlimmer als die Hölle sein. Trotzdem liebe ich Camping. Die Zahnbürste im Anschlag und im Schlafanzug und Badelatschen zum Waschhaus schlurfen und dort im Anblick braun-beiger Kacheln und Auge in Auge mit Kellerasseln und Weberknechten pflichtbewusst seine Zähne reinigen, während links jemand Essensreste von seinen Tellern spült und rechts der Dauercamper aus dem Hobby-de-Luxe-Wohnwagen hinter einer dünnen Trennwand die verdaute Version seiner Nahrung wegbringt – und das offenbar auch seiner Umgebung mitteilen möchte. Herrlich. So viel zu hören und zu riechen gibt es sonst nirgendwo – höchstens vielleicht in der Warteschlange auf dem Männerklo vom VFL Bochum.
Wenn ich so an mein Seminar zurückdenke, könnte der Erfinder des Namens “Camping Hell” aber auch ein ganz schlauer Fuchs gewesen sein. So ein Werbe-Profi. Mit dem ungewöhnlichen Namen ist der kleine Platz in Österreich richtig bekannt geworden. Und nur deswegen hat er den Weg in diesen Blog gefunden – und der hat ja auch ein bis zwei Leser in der Woche.
Wie auch immer. Bei der Vorbeifahrt wollte ich noch bei geöffnetem Autofenster ein passendes Lied abspielen. Bevor ich mich aber mit meiner Frau einigen konnte, ob nun „Hells Bells“ von ACDC oder Helene Fischers „Die Hölle morgen früh ist mir egal“ war der Eingang bereits aus dem Rückspiegel verschwunden. Chance vertan. Mit meinen Seat-Boxen wäre ich eh nicht gegen die Anlage der Camping Hell angekommen. Denn wegen des außergewöhnlichen Namens ist er jetzt immer voll. Und da konnten sich Frau und Herr Hell auch eine richtig gute Anlage leisten, eine mit Wums. Ja, bestimmt eine von Teufel.
Foto: Volker Lahr