Bevor ich zum Supermarkt fahre, überprüft meine Frau gemeinhin, ob ich auf meinem Einkaufszettel auch nichts vergesse habe. Sobald sie mir ihr „Okay“ gegeben hat, darf ich los. In der Kommunikationsbranche (und auch in der Druckindustrie) spricht man dabei von einer „Freigabe“ – die Publikation kann gedruckt werden, der Text kann onlinegehen.
Anders als bei einem Einkaufszettel kann ein Freigabeprozess relativ komplex werden, wenn Sie in einer fachlich und hierarchisch geregelten Organisation arbeiten. Sie kennen das: Neben der Rechtsabteilung muss auch Compliance zustimmen, der eigene Chef will sowieso noch einmal draufschauen und bei der aktuellen Pressemitteilung ist sogar ein externer Partner mit an Bord. Da alle glauben, das Thema habe Konzernrelevanz, soll abschließend auch der Vorstand seine Zustimmung geben. Hört sich kompliziert an, ist es auch. Letztlich lassen sich aber alle Beteiligten eines gewöhnlichen Freigabeprozesses – vereinfachend – in drei Gruppen zusammenfassen:
- Jemand, der sich inhaltlich mit dem Thema auskennt (Fachabteilung).
- Jemand, der redaktionelles/textliches Know-how mitbringt (zumeist die Kommunikationsabteilung, hier „Redakteur“ genannt).
- Jemand, der hierarchisch verantwortlich ist (z. B. der Leiter der Fachabteilung und/oder der Vertreter der Geschäftsführung).
Wie bekommen Sie die Freigabe ohne Probleme über die Bühne? Wir zäumen das Pferd von hinten auf: Wenn Sie einen der folgenden Sätze hören, ist der Prozess nicht optimal gelaufen.
„Bitte veröffentlichen Sie diesen Text, ist bereits vom Geschäftsführer freigegeben!“
Selbst wenn der Geschäftsführer den Text freigegeben hat, ist das kein Garant dafür, dass er auch sprachlich/redaktionell in Ordnung ist. Die Fachabteilung muss also – im schlimmsten Fall – mit dem vom Redakteur überarbeiteten Text noch einmal “hoch”. Das kann peinlich werden, da der Geschäftsführer einen Text freigegeben hat, den die Kommunikationsabteilung als nicht veröffentlichungsreif einstuft.
Was ist zu tun? Erst wenn der Redakteur und die Fachabteilung inhaltlich und sprachlich einverstanden sind, erhält der Chef/der Geschäftsführer den Text. Gibt es dort Änderungen, geht er zurück an die Fachabteilung beziehungsweise den Redakteur.
„Wir haben Ihren Entwurf überarbeitet und veröffentlicht!“
Wird ein Text von der Kommunikationsabteilung überarbeitet, kann er deutlich von der Vorlage abweichen. Denn der Redakteur kürzt, stellt um, gibt dem Text oftmals sogar einen anderen Fokus. Im schlimmsten Fall entstehen ungewollte Unschärfen oder sogar inhaltliche Fehler.
Was ist zu tun? Jeder Text muss nach der redaktionellen Überarbeitung immer noch einmal fachlich geprüft werden. Ändert die Fachabteilung, geht der Text anschließend wieder zum Redakteur.
„Ist zwar schon online – wir müssen da aber noch einmal dran!“
Ein Text, der nicht von allen relevanten Parteien freigegeben wurde, muss im schlimmsten Fall, sollten inhaltliche Fehler vorliegen, nach seiner Veröffentlichung korrigiert werden. Bei Online-Medien ist dies zumeist kein großes Problem. Dennoch macht es Arbeit, ist nervig (mit dem Thema hatte man ja eigentlich schon abgeschlossen) und eine nachträgliche Änderung in einem Online-Medium macht zudem keinen professionellen Eindruck. Bei einer gedruckten Publikation ist die Änderung verständlicherweise gar nicht möglich.
Was ist zu tun? Berücksichtigen Sie bei der Erstellung und Freigabe eines Textes alle relevanten Gruppen und binden Sie diese frühzeitig ein.
„Wer hatte das freigegeben?“
Eine solche Frage weist darauf hin, dass jemand einen Fehler im Freigabeprozess erkannt hat. Inhaltliche Fehler können damit verbunden sein. Es kann aber auch ein politischer Hintergrund eine Rolle spielen. Jemand fühlte sich bei der Erstellung des Textes übergangen. Es folgen Diskussionen und Erläuterungen. Ersparen Sie sich diese.
Was ist zu tun? Berücksichtigen Sie alle relevanten Gruppen, die inhaltlich involviert sind oder meinen, sie müssten dies sein. Und denken Sie an die Kollegen, die Sie aus politischen Gründen beteiligen sollten (und damit ist nicht nur der Betriebsrat gemeint).
„Hatte das mal jemand Korrektur gelesen?“
Es hat sich offenbar der eine oder andere „Tippi“ eingeschlichen, ansonsten stellt niemand diese Frage. Das Korrekturlesen ist zwar nicht integraler Bestandteil der Freigabe, kommt aber direkt danach.
Was ist zu tun? Nachdem die letzte Änderung eingearbeitet wurde, und der Text von allen freigegeben ist, wird der Text im Korrektorat geprüft. Denken Sie daran: Selbst wenn inhaltlich alles richtig ist und alle einverstanden sind – ein (öffentlichkeitswirksamer) Text ist erst dann final, wenn er Korrektur gelesen wurde. Möglichst von jemandem, der dies professionell tut und der den Text dabei zum ersten Mal sieht.
Wenn ich übrigens mit meinen Einkäufen zurück aus dem Supermarkt komme, schaut meine Frau, ob ich auch wirklich alles besorgt habe. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.
Foto: Volker Lahr