Grafiker können gar nicht genug von ihnen bekommen. Nicht, weil die Kollegen der Rechtschreibung nicht mächtig sind (auch das soll vorkommen), sondern weil sich Großbuchstaben so gut mit digitalen Hilfslinien verstehen. Da ist alles schön rechteckig, da tanzt nichts aus der Reihe. Die Welt ist daher voller Versalien: Firmennamen, Logos, Plakate, Schilder – gehen Sie einmal mit offenen Augen durch die Einkaufsstraße! Sie werden mit Großbuchstaben zugeschüttet. Warum lieben Lektoren hingegen eine gemischte Schreibweise (großer Anfangsbuchstabe, dann folgen kleine Buchstaben, die sogenannten Gemeinen)? Und wie wird’s jetzt geschrieben? Fahrschule oder FAHRSCHULE? ALDI oder Aldi? Rewe oder REWE? AEG oder Aeg? CEO oder Ceo?
Da ein Lektor auch “buchstäblich” alles richtig machen will und muss, habe ich für meine eigene Arbeit folgende Regeln formuliert. Das Ziel, das beim Schreiben und Lektorieren grundsätzlich jeder vor Augen haben sollte, gilt auch hier: den Lesefluss so weit wie möglich nicht zu stören.
1. Tabu! – Keine Versalien als Fließtexte
Als Fließtexte sind Versalien nicht wirklich zu gebrauchen. Wenn sie in Truppenstärke aufmarschieren, sind sie schlecht zu lesen und erschweren damit auch dem Korrektor seine Arbeit. Fehler drohen!
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Konnten Sie das flüssig lesen? Ist Ihnen der Fehler aufgefallen?
2. Bedacht! – Grafischen Einsatz kritisch betrachten
Häufig werden Versalien in Publikationen grafisch verwendet (zum Beispiel als Publikationsname, Headlines oder Kolumnentitel). Sofern sich das Unternehmen nicht grundsätzlich ein Verbot der Großschreibung auferlegt hat, ist dies nicht unbedingt verwerflich. Sie sollten Großbuchstaben aber, wenn sie so genutzt werden, immer kritisch betrachten. Sind sie wirklich notwendig oder hatte der Grafiker nur keine andere Idee, um dem Flyer oder der Broschüre ein individuelles Aussehen zu geben?
3. Ein Muss! – Schreibweise des Firmennamens beachten
Lektoren müssen, wenn sie eine Unternehmenspublikation Korrektur lesen, einen Blick in das Corporate Wording werfen. Denn der Name des Unternehmens findet sich nicht im Duden. Die festgelegte Schreibung des Firmennamens wird in den eigenen Texten übernommen, dazu gehört auch die Schreibweise in Versalien. Das gilt dann ebenso für alle Namen von Tochtergesellschaften. Die Art und Weise, wie andere, “fremde” Unternehmen ihren eigenen Namen schreiben, wird hingegen nicht übernommen.
Wenn Sie für Aldi schreiben, schreiben Sie “ALDI”. Arbeiten Sie für Eon, schreiben Sie “E.ON”. Lassen Sie sich dabei nicht vom Logo irritieren, das sich von der Schreibweise in Texten unterscheiden kann. Eon verwendet im Logo nur Kleinbuchstaben.
Aber: Wenn Sie bei oder für Rewe arbeiten und in einem Artikel über Ihren Wettbewerber Aldi berichten, schreiben Sie “Aldi”, obwohl dieser für seinen Namen nur Großbuchstaben verwendet. Wenn Sie hingegen über den ADAC schreiben, tritt Regel 4 in Kraft.
4. Immer der Reihe nach! – Versalien bei einzeln ausgesprochenen Buchstaben
Wörter werden in Versalien geschrieben, wenn die Buchstaben einzeln ausgesprochen werden. Das gilt grundsätzlich, hat also nichts mit der selbst gewählten Schreibweise eines Unternehmens zu tun.
ADAC, RWE, CEO, LKA, ZDF, CSR
Und hier noch ein Satz, bei dem der Schreiber alle vier Regeln berücksichtigt hat:
Anders als Rewe haben wir bei ALDI einen CEO, der allen Mitarbeitern ein Fahrsicherheitstraining beim ADAC empfiehlt.
Mit dieser Verfahrensweise lassen sich aus meiner Sicht 95 Prozent abdecken. Ihnen werden immer wieder Zweifelsfälle und unternehmensspezifische Schreibungen – die verbleibenden fünf Prozent – begegnen. Nicht alles in der Welt der Sprache kann wissenschaftlich geklärt werden, es sollte dann aber zumindest einheitlich geregelt sein. Denn wer in seiner Sprache korrekt und einheitlich agiert, dem unterstellen Stakeholder wie potenzielle Kunden, Geschäftspartner und Bewerber auch in anderen Bereichen Professionalität und Kompetenz.
Foto: Volker Lahr