Ich habe mir vorgenommen, mich in meinem Blog ab sofort etwas kürzerzufassen. Denn bekanntlich liest heute keiner mehr. Die Jugend schon gar nicht. Lange Texte schon gar gar nicht. Aber warum das Nötige nicht mit dem Nützlichen verbinden? Denn das, worum es heute geht, verkürzt Ihren Text. Und das gilt übrigens auch für viele andere Tipps, die Sie in diesem Blog lesen. Denn ein professionell redigierter Text kommt in der Regel mit weniger Wörtern aus als der Entwurf. Aber ich schweife ab.
Es geht also heute um das Passiv, das leidige Passiv, um gleich mal einen kleinen Lehrer-Kalauer unterzubringen. Grundsätzlich habe ich nichts gegen diese Form. „Die Bank wurde überfallen.“ Was ist dagegen einzuwenden? Also grammatikalisch gesehen. Das Geldhaus erleidet einen Überfall, ist folglich handlungsunfähig, und der Täter ist nicht bekannt.
Unnötiges Passiv umgehen
In anderen Fällen kennt der Schreiber den Verursacher, möchte ihn aber nicht nennen, da es entweder auf der Hand liegt oder es nichts zur Sache tut: “Die Abteilungen Controlling und Rechnungswesen wurden zusammengelegt.” Dass das vermutlich die Unternehmensleitung entschieden hat, ist nicht wichtig. “Wurde das Auto nach der Reparatur gewaschen?“ ist nicht viel schlechter als „Haben die das Auto nach der Reparatur gewaschen?“ Und “Meine Frau wurde geblitzt” ist meines Wissens auch nicht strafbar.
Aber was halten Sie von folgendem Satz?
Heute wurde der Neubau des Kindergartens von Bürgermeister Peter Schlacke eröffnet.
Was spricht dagegen, dies aktiv zu formulieren? Das geht, denn der Akteur ist bekannt.
Heute eröffnete Bürgermeister Peter Schlacke den Neubau des Kindergartens.
Der Satz ist nicht nur kürzer, sondern er stellt die handelnden Personen (buchstäblich) nach vorn. Das ist für den Leser sowieso immer interessanter. Und dem Bürgermeister, davon kann man ausgehen, ist garantiert an einer aktiven Beschreibung seiner Tätigkeit gelegen. Durch die Passiv-Konstruktion entsteht zudem eine unnötige Verbklammer (wurde … eröffnet). Diese erschwert aber das Verstehen, da der Leser auf ein inhaltlich entscheidendes Verbteil warten muss (siehe dazu auch: Verständlicher texten: Komm du mal nach vorn!). Noch deutlicher wird das an diesem Beispiel:
Die Olympiasiegerin Susanne Schneider wurde (ja, was genau?) von Bürgermeister Peter Schlacke (ich warte …) trotz der Einwände seiner Partei (ich warte immer noch …) am gestrigen Montag (toll!) im Schloss Wimpern (langsam nervt es!) begrüßt (ach, so!).
Besser: Bürgermeister Peter Schlacke begrüßte die Olympiasiegerin Susanne Schneider trotz der Einwände seiner Partei am gestrigen Montag im Schloss Wimpern.(Noch besser: Bürgermeister Peter Schlacke begrüßte die Olympiasiegerin Susanne Schneider am gestrigen Montag im Schloss Wimpern, trotz der Einwände seiner Partei. Oder: Am gestrigen Montag begrüßte Bürgermeister Peter Schlacke die Olympiasiegerin Susanne Schneider im Schloss Wimpern, trotz der Einwände seiner Partei.)
Wo das Passiv aufkreuzt, ist der Nominalstil oft nicht weit. Wer so schreibt wie in diesem Beispiel, darf sich über flüchtende Leser nicht wundern:
Die Eröffnung des Neubaus des Kindergartens wurde heute von Bürgermeister Peter Schlacke durchgeführt.
Fazit:
- Überprüfen Sie, ob Sie den Akteur kennen.
- Überprüfen Sie, ob Gründe dagegensprechen, ihn zu benennen.
- Falls nicht: Nennen Sie ihn und lassen sie ihn so aktiv wie möglich agieren. Das geht am besten mit (treffenden) Verben (siehe dazu auch: Das geht auch anders – Plädoyer für den Thesaurus).
Soweit ich weiß, steht in der Bibel „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde”, nicht „Am Anfang wurde von Gott Himmel und Erde erschaffen“ und schon gar nicht: „Am Anfang wurde von Gott die Schaffung von Himmel und Erde durchgeführt.“ Ach ja, ich wollte mich kurzfassen – und jetzt erzähle ich wieder von Gott und der Welt.
Zeichnung: Volker Lahr