Es schreibt heute keiner mehr Briefe. Ja, davon habe ich auch schon gehört. Umso mehr freut es mich, dass ich vor einiger Zeit einen Brief bekommen habe. Handgeschrieben. Und jetzt kommt das Beste: Verpackt in einer Flasche! Analoger geht es nicht. Ich joggte gerade an der Ruhr entlang und da entdeckte ich sie: Eine Flaschenpost im Wasser, die sich in den Uferpflanzen verfangen hatte. Mein Glück, denn einige Hundert Meter weiter wäre sie beim Wasserbahnhof Mülheim zermalmt worden und als Plastik-Kleinpartikel irgendwann im Meer gelandet.
Ich war so froh – ich hatte noch nie in meinem ganzen Leben eine Flaschenpost gefunden. So lief ich also die letzten acht Kilometer noch langsamer als sonst mit meiner Flasche in der Hand. Die zehnjährige Ellie, wie ich zuhause las, sucht eine Brieffreundin. Und nichts anderes, denn: „Ich habe schon eine BFFE!“ (Best friends forever). Ich muss zugeben, dass ich noch immer nicht geantwortet habe. Denn Ellie schrieb, dass ihre Suchanfrage „nicht für Jungs“ gelte, und da habe ich mich einfach nicht getraut. Und außerdem: Eine E-Mail wäre schnell getippt, aber so ein handgeschriebener Brief?
Ich hätte die Flaschenpost-Geschichte fast schon wieder vergessen, als mich – auf noch größeren Umwegen – gestern wieder etwas Handgeschriebenes erreichte. Ich griff in so einem öffentlichen Regal, in dem Bücher entnommen oder hineingestellt werden, nach dem Thriller „Galerie der Angst“. Ich weiß gar nicht, warum, denn eigentlich verweist der Titel nicht gerade auf ein Buch meines Geschmacks. Es muss also Fügung gewesen sein. Oder sagen wir es so: Wenn es einen Schutzpatron der Texte gibt (also noch einen neben Wolf Schneider), hatte er bestimmt seine Hände im Spiel. Denn im Buch steckte ein zusammengefaltetes DIN-A-4-Blatt mit einem sehr persönlichen Gedicht, geschrieben mit viel Emotionen und blauem Filzstift.
Aller Unkenrufe zum Trotz, es wird also doch noch (hand)geschrieben. Und das muss man unterstützen. Obwohl ich natürlich nicht weiß, ob Ellie mittlerweile schon eine Brieffreundin gefunden hat und ob die junge Lyrikerin nicht mehr so traurig ist, ihren geplanten „Neustart“ bereits gemacht hat, und daher ihr Gedicht überhaupt zurückhaben will. Aber auch auf die Gefahr hin, dass ich danebenliege, versuche ich es mal. Bin ja quasi von höchster Stelle als Vermittler bestellt worden. Also, wer sucht eine Brieffreundin in Mülheim an der Ruhr? Brieffreundin, nicht BFFE! Nur Mädels! Ellie gibt dir auch die Briefmarke zurück, sagt sie. Und Charline, wenn du dein Gedicht vom 12. Januar 2010 vermisst – ich habe es! Meldet euch – per Brief, E-Mail, SMS, Flaschenpost, Brieftaube oder wie auch immer; das wird mich wieder auf irgendeinem Weg erreichen. Da bin ich in diesem Fall sehr zuversichtlich.
Viele Grüße
Volker
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